
„Hört endlich auf, auf den Alten zumzuhacken“. Der Titel der Kolumne eines anderen Schreiberlings sticht mir ins Auge. Natürlich muss ich sie lesen. Sie ist gut. Wirft bei mir aber unweigerlich die Frage auf: Wie? Auf den Alten wird rumgehackt? Was heisst hier auf den Alten? Auf allen wird rumgehackt. Keiner kommt weg. Jeder kriegt eins auf die Mütze, wenn nicht mehr. Es wird gelästert, kritisiert und runtergemacht. Jeder kriegt sein Fett weg. Gleich ob alt oder jung, hübsch oder hässlich, Mann oder Frau, homo oder hetero, In- oder Ausländer.
Konkrete Beispiele? Wenn der Ex Mister Schweiz Tobias Rentsch öffentlich kundtut, in Zukunft weniger im Luxus und bescheidener leben zu wollen, dann will er sich nur profilieren. Hat ein Schütteler der Schweizer Nati zwei Pässe im seiner Tasche, dann will er nur profitieren. Macht sich die Coaching Frau XY selbständig und will anderen Frauen im mittleren Lebensabschnitt beruflich auf die Sprünge helfen wird sie als Emanze beschimpft. Von der grossen Bühne dieser Welt gar nicht erst zu sprechen.
Was für eine miese Stimmung verbreitet das. Dieses Bashing – wie man es in Neusprache nennt – spaltet unsere Gesellschaft. In Gut und Böse. Oder Gut und Schlecht. Es entstehen Polaritäten, die kaum wieder verbindbar erscheinen. Glück hat, wer sich im Moment bei den Guten wähnt. Aber auch das kann sich nullkomaplötzlich ändern. Nämlich zum Beispiel dann, wenn er den Raum verlässt. Ich frage mich echt woher das kommt. Diese Sucht nach Kritik und Abwertung. Ist man selber im vermeintlichen Glauben, stets auf der guten Seite zu stehen? Fehlerfrei, vollkommen, wertvoller, besser zu sein als andere? Wie vermessen.
Es scheint bald jeder gegen jeden, zumindest mal verbal. Kein Nährboden für ein gutes Zusammenleben. Es sieht so aus, als ob Wertschätzung und Wohlwollen anderen gegenüber gänzlich zu verschwinden drohen. Doch genau solche Werte bräuchte es als Basis für eine gesunde Gesellschaft und nicht das weitere Säen von Trennung und Spaltung. Anstelle des aktuell vorherrschenden Prinzips von abwerten, spalten oder ausgrenzen wäre verbinden, aufwerten und verwandeln angesagter.
Stellen Sie sich vor wie das dann wäre:
wenn der Mensch bei jedem Treffen seinem Gegenüber mit einem aufbauenden Gedanken begegnen würde, ihm wohlwollend entgegenkäme, echtes Interesse an ihm hätte, sein Bestes möchte, die guten Dinge bei ihm sieht. Oder wenn weniger Gutes da ist, das in eine weitere Entwicklung oder eben Verwandlung bringen könnte. Ohne sich nach dem Gespräch umzudrehen und ihn in die Pfanne zu hauen. Die Welt wäre eine friedlichere.