Denken Sie auch?

 

„Denken Sie auch oder schlurfen Sie nur sinnlos über die Erde?“ Als ich das Zitat von Kafka zum ersten Mal las, musste ich schmunzeln. So unverfroren provokativ dieser Ausspruch ist, so erfrischend wirkt er, finde ich. Dieses Zitat veranlasst tatsächlich sich Gedanken darüber zu machen, ob man auch wirklich denkt oder eben wie Kafka sagt, nur sinnlos über die Erde schlurft. Schon nur wenn man sich dieses Bild, diese Vorstellung des Schlurfens über die Erde vor Augen hält, richtet man sich innerlich auf und will nicht zu den Schlurfenden gehören. Mir jedenfalls geht es so. Denn – was hinterlässt man da für einen Eindruck oder Ausdruck? Rücke ich mir dieses Bild vor Augen eines schlurfenden Menschen, dann hat er nichts Ästhetisches, Würdiges an sich. Richtet er sich hingegen auf, dann bekommt er mit Sicherheit eine edlere Haltung. Das Aufrichten und die schöne Haltung kann durch einen konstruktiven Gedanken geschehen. Aber die Frage ist wohl nicht nur, ob es nun ein positiver Gedanke ist oder ein Negativer: es geht wohl um das Wie des Denkens. Um auf Kafka zurückzukommen: so ganz und gar gedankenlos wird niemand einen Tag verbringen können. Selbst dann, wenn er über die Erde schlurft. Mit dem nur Sinnlos über die Erde schlurfen könnte Kafka gemeint haben, dass wir uns dem kunterbunten Treiben der Gedanken überlassen. Den wahllosen Gedanken, die, sobald wir morgens die Augen aufschlagen, von uns Besitz ergreifen. Mal sind es konstruktivere, mal eher pessimistischere Gedanken, je nach Uhrzeit, Gemütszustand oder auch je nach Gegenüber. Das gewöhnliche Denken von uns Menschen ist normalerweise recht automatisiert und unbewusst. Denken wir aber bewusst und pflegen einen konkreten Gedanken, entsteht etwas ganz anderes. Wenn wir das tun bringen wir eine bewusste Führung in unser Gedankenleben. Wir unterliegen dadurch viel weniger irgendwelchen äusseren Einflüssen, den vielfältigen Manipulationen oder zahlreichen Einflüsterungen aus dem Unbewussten oder dem Umfeld. Anfangs ist das sicher nicht ganz einfach und etwas ungewöhnlich. Es braucht innere Ruhe, Aufmerksamkeit, eine gute Beobachtungsgabe. Es ist vielleicht wie wenn sich jemand das Rauchen abgewöhnen will. Am Anfang greift man noch ganz automatisch zur Schachtel Zigaretten. Mit der Zeit wird es aber weniger, die rauchfreien Zeiten werden mehr. Und es fühlt sich gut an. Man fühlt sich gesünder. Der Körper wird von schädlichen Stoffen befreit. So stelle ich es mir auch mit dem Denken vor. Denn schädliche Gedanken können genauso ungesund wirken. Denke ich gerade  in einer Begegnung einen aufbauenden Gedanken wie zum Beispiel: Jeder Mensch trägt Fähigkeiten in sich, die er entwickeln kann, dann unterliege ich nicht dem automatischen Brimborium des gewöhnlichen Gedankenschwalles oder der eingegrabenen Denkmuster. Dafür entdecke ich vielleicht eben genau diese Möglichkeiten, die mein Gegenüber bei sich nicht sieht und kann sie ansprechen und damit fördern. Wenn wir so über die Erde wandeln, mit einem konkreten, aufbauenden Gedanken, dann gehören wir ganz bestimmt nicht mehr zu den nur sinnlos über die Erde Schlurfenden, sondern zu den gedanklich konstruktiv Gestaltenden und Erbauenden.


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