
Sicher haben Sie sich im Leben auch schon mal etwas abgewöhnen versucht. Um sich dann vielleicht auch etwas Neues, Gesünderes anzugewöhnen.
Bei mir sind es aktuell ein paar Punkte, die ich mir zu Herzen nehme. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ein Ziel von mir ist es, mein Herzzentrum zu entwickeln und damit auch friedensfördernd zu wirken.
Dafür braucht es – laut dem von mir geachteteten Geisteswissenschaftler Rudolf Steiner – verschiedenes, das man dabei nicht nur beachten, sondern im täglichen Leben auch umsetzen muss, soll die zwölf- blätterige Lotusblume, eben das Herzzentrum, auch in die harmonische Entfaltung kommen. Darunter die Punkte wie: die Duldsamkeit, die Toleranz gegenüber anderen Menschen, anderen Wesen oder Tatsachen. Oder die Unbefangenheit gegenüber Erscheinungen des Lebens und das Unterlassen von überflüssiger Kritik gegenüber dem Unvollkommenen, Bösen oder Schlechten. Vielmehr soll man alles zu begreifen versuchen, was an einen herantritt. Mit Ausdauer, versteht sich. Also nicht nur heute. Kurz darauf (im Buch: „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“) Steiners wunderschöne Aussage: «Wie die Sonne ihr Licht nicht dem Schlechten oder Bösen entzieht, so der Übende nicht seine verständnisvolle Anteilnahme».
Gelesen getan. So dachte ich. So schwierig kann das nicht sein. Ich bin doch schon sehr tolerant, lasse gewähren, kritisiere nicht, wo nicht nötig ist.
Denkste. Am Tag nach meinem entschiedenen Entschluss, mich tagtäglich daran zu halten, das sogleich umzusetzen und dies auf unbestimmte Zeit finde ich mich in einer Weiterbildung wieder. Mit den verschiedensten Menschen. Jung, alt. Studiert oder praktisch veranlagt. Gut, das ist ganz alltäglich und braucht kein weites Herz, um dabei tolerant zu sein.
Dann aber setzt sich ein Mann neben mich, der den ganzen Tag mit mir verbringen wird. Ein Engagement in seinem Leben war – die Arbeit bei einem Waffenhersteller.
In einem Bruchteil von einer Sekunde ist es bei mir mit der Toleranz vorbei. What??? Der hat dazu beigetragen, dass Waffen in diese Welt kommen??? Wie kann man so was vertreten? Ich mustere ihn von unten bis oben. Ja, man sieht ihm den Militärkopf an. Dann schnauzt er noch die Kursleiterin an. Passt irgendwie zusammen.
What??? Was habe ich mir heute morgen vorgenommen?? Das ist gar nicht so einfach. Die innere Stimme scheint schneller als mein Gehirn das kontrollieren kann.
Genau so geht es weiter. Die nächste Teilnehmerin geht nach vorne und stellt sich vor. Sie ist ganz speziell gekleidet. Trägt einen weiten Rock, unter dessen Glockenform noch drei Kinder passen würden. Wie komisch sieht dass denn aus?
What?? Was machen eigentlich meine Gedanken ganz genau? Was ist los?? Wie Affen im Käfig turnen sie sich nullkomaplötzlich in die Oberstube. Weg mit euch! Ich will euch nicht haben! Aber schon schleicht sich der nächste Gedanke an und geht zum Angriff über. KI wird zum Thema. KI ist super, sagt der eine Teilnehmer. Ja, KI ist sowas von praktisch, der andere. Genau, KI nimmt uns sovieles ab, stimmt der dritte mit ein. Ja, super! Dann schaffen wir Menschen uns selber ab oder wie? Was ist denn mit dem Mensch und seinen schöpferischen, kreativen, unausgeschöpften Fähigkeiten, die er noch entwickeln kann?? Jetzt sind es nicht mehr nur meine Gedanken, mein ganzer Kreislauf gerät in Wallung. Die Emotionen schlagen hoch bis unter die Schädeldecke. KI Bilder schiessen mir in den Kopf. Übergesylte, perfekteste Frauenbilder, denen man als gewöhnlich sterblicher Mensch nie und nimmer das Wasser reichen kann. Parallel dazu ploppt mir eine Nachrichten-Meldung auf, die darüber berichtet hat, dass ein Teenager bei einer Nasenkorrektur verstorben ist. Schönheit nach KI-Vorlage? Wollen wir das? Und natürlich gleich darauf: Wie? Der findet KI gut?? Sofort kämpfe ich darum, dass er mir weiterhin sympathisch bleibt.
Das mit der Duldsamkeit und der Toleranz muss wohl ähnlich sein wie das Rauchen aufzugeben. Sobald man sich entschlossen hat damit aufzuhören, steigert sich die Lust zum Rauchen ins Unendliche. So scheint es auch mit der Gedankenkontrolle und dem Gewährenlassen. Ein wenig Trost finde ich in einer Aussage des von mir ebenso geschätzten Geistforschers und spirituellen Lehrers Heinz Grill. Die besagt: „Erst dann, wenn man ein Ideal erringen will, werden die Begehrensformen erlebbar“…………
Mein liebes Herz – du brauchst noch ein bisschen. Oder besser gesagt: noch ein gutes Stück.
Ein gutes Stück: Innere Beherrschung des Gedankenverlaufs. Ein gutes Stück Erziehung zu Ausdauer. Ein gutes Stück der Duldsamkeit und Unbefangenheit den Erscheinungen des Lebens gegenüber. Dem Weglassen von überflüssiger Kritik gegenüber dem Unvollkommenen. Denn: wer kann sich schon anmassen, ohne tiefergehende Auseinandersetzung über etwas zu urteilen oder zu kritisieren? Und dabei geht mir Rudolf Steiner mit seinem übergeordneten Gedanken direkt ans Herz: Wie die Sonne ihr Licht nicht dem Schlechten und Bösen entzieht, so der Übende nicht seine verständnisvolle Anteilnahme. Erst so wird der Mensch zum Friedensstifter. Zum Echten.
