Inhalt in einer inhaltslosen Zeit

Wir leben in einem Zeitalter, in dem wir bald nicht mehr wissen, wo uns der Kopf steht. So viele Informationen prasseln tagtäglich auf uns ein. Ich kenne nicht wenige Menschen, die sich grösstmöglichst von dieser Informationsflut abgewandt haben. Gar kein Radio, Fernsehen oder keine Zeitung mehr konsumieren. Ehrlich gesagt verstehe ich das nur zu gut. Was bringt es überhaupt, in 30 Sekunden über die neuste Entwicklung im Ukraine-Krieg informiert zu werden oder über Joe Biden, der am G-7 Gipfel in Apulien eine verwirrte Falle gemacht hat?

Diese Informationen belegen höchstens die Festplatte, regt aber nicht wirklich zum selber Denken an. Wir werden dadurch mit schnellen Informationen und Suggestionen vollgepumpt, ohne etwas selbständig erkannt zu haben. Gerade das eigenständige, unabhängige Denken wäre heute wichtig. Aber mit einer tieferen und nicht nur oberflächlichen Auseinandersetzung.

Die ganze Informationsflut bewirkt eine gewisse Lähmung und kann sogar zu Apathie führen. Wenn man nur schon bedenkt was es bewirken kann, mal eine Woche abstinent zu sein. Keine News zu konsumieren. In den Ferien zum Beispiel. Das wirkt sehr konstruktiv. Die Windungen im Gehirn fangen wieder an, lebendiger zu werden.

Dies kann auch mit einem Inhalt erheblich gefördert werden. Unser Bewusstsein kommt damit in Bewegung, im Gegensatz dazu, wenn wir ohne Inhalt im Leben unterwegs sind.

Was ist ein Inhalt?

Ein Inhalt kann eine Forschungsfrage sein mit der man sich auseinandersetzt. Wenn man durch einen Ort geht kann man sich fragen: wie kommen mir die Menschen entgegen? Wie sind sie aufgerichtet? Wirken sie eher belastet, gedrückt oder aufgerichtet und leichtfüssig? Wie ist ihr Blick? Ist er nach aussen gerichtet oder eher nach innen, versunken?

Wichtig dabei: diese Forschungsfrage ist nicht moralisierend zu verstehen, sondern rein als Kriterium, als Anhaltspunkt zur Beobachtung.

Geht man mit diesem Inhalt, dieser Frage durch die Strassen, erlebt der Einzelne einerseits mehr sich selbst aber auch das Gegenüber. Er bewegt sich viel aufmerksamer und hinterlässt auch damit etwas anderes.

Das eine ist tendenziell eher eine nehmende Haltung und mit einer aufmerksamen Beobachtung im aussen eher ein Geben. So gesehen hat der Mensch die Fähigkeit, im Ort etwas Aufbauendes zu hinterlassen. Es sind aufbauende Ätherkräfte – mit dem Fachausdruck bezeichnet. Es sind feine Lebenskräfte, die der Mensch fähig ist zu entwickeln und zu hinterlassen. Durch seine gedankliche Regsamkeit und Aufmerksamkeit.

Man kann sich das auch ganz praktisch einmal vorstellen oder selber beobachten: Wie fühlt man sich so ganz generell, wenn jemand an einem vorbeigeht und einem gänzlich übersieht oder ignoriert. Nicht wahrnimmt. Und dann kann man sich vorstellen wie es ist, wenn eine Person an einem vorbeigeht, diese aber einem wahrnimmt. Jetzt ohne zu glotzen, versteht sich.

So kann man überall unterwegs sein. Überall und jederzeit kann der Mensch einen Inhalt pflegen. In einer Stadt, in der Natur, in einer zwischenmenschlichen Begegnung.

Wie auch beispielsweise in der Begegnung mit einem kranken Menschen. Wenn jemand Ihnen erzählt, dass ihn eine Krankheit heimgesucht hat, dann kann man einem Menschen mit einem Nicht-Inhalt begegnen oder mit einem Inhalt.

Bei einem Nicht-Inhalt wäre die Reaktion in etwa so: Oh, das ist ja schrecklich, du Armer, du Arme. Das ist sicher ganz schlimm für dich! Gute Besserung! Und man zieht wieder von dannen. Mit Inhalt auf eine solche Mitteilung zu reagieren wärde, sich zu fragen: was fehlt diesem Menschen wirklich? Also jetzt in etwas umfassenderen Sinne gemeint. Was belastet ihn? Welche Wesenszüge sind bei ihm auffällig? Dies nicht moralisierend gemeint. Und ganz wichtig die Überlegung oder die Frage: welcher Entwicklungsschritt könnte bei ihm anstehen? Der ihn oder sie über die Krankheit hinausheben und wieder eine konstruktivere, hoffnungsvollere Zukunftsperspektive eröffnet werden könnte.

Mit einem Inhalt, einer Forschungsfrage in die Begegnung zu gehen heisst auch, sich viel intensiver in Beziehung zu bringen mit der aktuellen Situation. Es erfordert ein empathisches Sich-Einfühlen-Können in die Situation des Anderen. Man lässt ihn damit auch weniger alleine mit seiner Krankheitssituation, als wenn man ihm oder ihr einfach nur schnellfertig mit Emotionen überschüttet und gute Besserung wünscht. Man setzt sich eingehender mit der Person auseinander. Und kommt ihr so seelisch auch näher.

Was sind die Folgen, Konsequenzen, Wirkungen eines inhaltlich gestalteten Lebens? Warum soll sich Mensch ein Inhalt setzen?

Der Mensch wandelt sich von einem rein konsumierenden in einen schöpferischen, forschenden und aktiven Menschen. Er setzt sich dadurch intensiver mit seinem Umfeld auseinander. Mit all dem, was ihm begegnet. Was ihn umgibt. Er tätigt Beobachtungen mit entsprechenden Fragen und bringt sich so intensiver in Beziehung. Dabei wird er Dinge entdecken, die er sonst übergeht. Er wird entdecken, erkennen, erfahren. Er wird lernen, tiefer in die Begebenheiten einzudringen als nur bei einer oberflächlichen Betrachtungsweise. Dabei wird er auch neue Gefühle und Empfindungen entwickeln.

Der spirituelle Lehrer Heinz Grill (http://heinz-grill.de) wies darauf hin, dass mit einem Inhalt und einer konkreteren Betrachtung der Objekte im Leben, eine Beruhigung des Nervensystems eintritt. Das kann man gut nachvollziehen, wenn man bedenkt, wie schnell normalerweise die Sinne von einem Objekt zum anderen wechseln. Bei einer längeren Betrachtung nach aussen kann das zentrale Nervensystem von oben nach unten eingreifen. Ein Gedanke oder eine Forschungsfrage wirkt von oben nach unten auf das vegetative Nervensystem und beruhigt so die Ströme im Körper, die sonst triebhaft von unten nach oben fliessen und so das Bewusstsein gefangen nehmen können. Der Mensch denkt dann so nicht mehr frei sondern wird von seinen Automatismen und Begehrenstrieben gesteuert.

Erinnert sich der Übende an einen Inhalt, den er gepflegt hat, tauchen die Bilder normalerweise rasch und konkret wieder auf. Diese gepflegten Bilder samt Forschungsfrage wirken grundsätzlich konstruktiv auf den Menschen. Das wirkt sich auch auf die Schlafqualität aus. Wer mit Einschlafschwierigkeiten zu kämpfen hat, kann mit einer Rückverfolgung oder Reflektion des Tages und dem Wiederaufbau eines Bildes mit Inhalt ruhiger werden und dank des konstruktiven Bildes und konkreten Beziehungsaufnahme, die während des Tages passiert ist, besser einschlafen.

Ohne diese Arbeit mit einem Inhalt wird der Mensch tendenziell mehr vom vegetativen Nervensystem geleitet, was dem Vergangenen, dem Alten entspricht. Er wiederholt sich, agiert aus dem altbekannten, althergebrachten Automatismen. Aus dem Unbewussten. Mit einem Inhalt, einer konkreten Forschungsfrage wird der Mensch schöpferisch tätig. Er wird kreativ, lebendiger, es entstehen neue Synapsen im Hirn. Er ist nicht mehr abhängig von dem, was ihm serviert wird. Er denkt eigenständig. Er kreiert. Er gestaltet. Er erforscht. Er entdeckt. Er erkennt.

Er ist durch einen Inhalt zu zu einer interessierten, sonnigen Beziehungsaufnahme nach aussen motiviert.


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