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Manchmal schleicht sie sich langsam wie aus dem Hinterhalt an, manchmal befällt sie uns von einem Augenblick auf den anderen. Die Depression oder die depressive Verstimmung. Wie kann es dazu kommen? Eine Antwort auf diese Frage, die Sie überraschen könnte.
Psychische Störungen haben in den letzten zwei Jahren einen beispiellosen Anstieg erfahren. Gerade bei jungen Frauen hat laut dem Bundesamt für Statistik BFS die Zahl von stationären Aufenthalten im Spital die auf psychische Erkrankungen zurückgehen in den letzten zwei Jahren um 26 % zugenommen. Bei jungen Männern um 6 %. 2020 waren die häufigsten aufgetretenen Störungen bei Frauen hauptsächlich Depressionen. Die Ursachen einer Depression oder einer depressiven Verstimmung können vielfältigst sein. Sie zeigen sich in Interesse- und Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und rascher Ermüdung. Die endogene Depression wird ohne erkennbare äussere Einflüsse oder Ereignisse ausgelöst und kann auf innere Ursachen zurückgeführt werden. Die exogene Depression wird durch äussere Einflüsse ausgelöst. Solch ein äusserer Einfluss, der eine Depression oder eine depressive Verstimmung auslösen kann, sind unter anderem: permanente Schuldzuweisungen.
Der Splitter im Auge
Diese sehr häufigen und schnellen, alltäglichen Schuldzuweisungen sind in der heutigen Zeit in unserer Gesellschaft in vielfältigsten und zum Teil ganz massiven Formen anzutreffen. Man kann sich mal selbstkritisch selbst beobachten. Ohne dass dies uns wohl vollumfänglich bewusst ist, tätigen wir Schuldzuweisungen oft mehr als uns lieb ist. Sei es bei einem Arbeitskollege, der den Aufstieg in eine bessere Position verunmöglicht, dem Partner oder Chef, der nicht so handelt, wie man sich das wünschen täte, den PolitikerInnen, die uns ganz grundsätzlich das Leben vergällen. Schuld sind immer die Anderen oder die Umstände im Aussen.
Und wir überlegen uns – Hand aufs Herz – in seltensten Fällen, dass wir etwas damit zu tun haben könnten, warum uns etwas so „triggert“. Diese Selbsreflektion fehlt oft. Der ganz grundlegende Gedanke, dass man eine Situation immer mitgestaltet. Oder mitgestalten kann.
Dieses Schuldzuweisen kann sich relativ leicht wie zu einer Sucht entwickeln. Oder ist wie ein Bazillus. Einmal davon befallen, bekommen wir ihn schlecht wieder los. Es gibt im Evangelium eine Stelle bei Matthäus: Was siehst Du aber den Splitter in Deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?

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Schon kleinste Mengen sind Gift
Für das Abladen der eigenen Schwächen auf das Gegenüber gibt es in der Psychologie einen Ausdruck. Es ist die Projektion. In der Psychoanlayse nach Sigmund Freud versteht man unter der Projektion einen Abwehrmechanismus, bei dem eigene, unerwünschte Impulse einem anderen Menschen zugeschrieben werden. Das Abschieben der eigenen Unzulänglichkeit auf andere ist im ersten Moment auch eine willkommene Erleichterung und schnelle Lösung des Problems und inneren Verzweiflung. Diese Art der Erleichterung ist allerdings nicht von langer Dauer. Denn wer seine eigenen Schwächen nicht erkennt und nicht daran arbeitet, wird von diesen eingeholt. Derjenige, der jegliche Verantwortung ablehnt und seine Defizite auf andere projieziert, entledigt sich seiner geistigen Entwicklungsmöglichkeit.
„Der Versuch, das Schlechte am Mitmenschen zu bemängeln und dieses sogar als Ursache für eine eigene Unzulänglichkeit zu werten, schwächt das persönliche Selbstwerden und ein Entwicklungsweg ist blockiert, solange man sich von dieser Untugend nicht durch rechte Selbstaktivität befreit. Eine Regel müsste man sich selbst um der seelisch-geistigen Integrität willen auferlegen, die nichts anderes besagt, als dass man den Anderen nicht verurteilt, denunziert oder beschuldigt.“ Heinz Grill
Der einzelne Mensch übersieht allzuleicht sein eigenes Unvermögen die Situation so zu gestalten, dass sie zu seiner und aller Zufriedenheit führt. Mit diesem Verhalten kreiert er zudem keine wirklich freudige Stimmung im eigenen Umfeld, sondern produziert geradewegs das Gegenteil. Es entsteht insgesamt eine belastete Atmosphäre und kann bei demjenigen, der mit massiven Schuldzuweisungen überhäuft wird zu drastischen Selbstwerteinbrüchen führen. Soweit, dass eine Depression oder eine Art Zerstörung entstehen kann.
Krise als Chance
Wer in der Öffentlichkeit steht, erlebt das dann ausgeweitet auf den Sozialen Medien. Mit dem sogenannten Shitstorm. Wo der gesamte innere Frust mit Kommentaren unter jeglicher Würde gepostet werden. Das können wir quasi tagtäglich in den Medien mitverfolgen. Diese Art des Angriffs wurde von Betroffenen auch schon als moderne Hexenjagd bezeichnet. Die Person landet zwar nicht mehr auf dem Scheiterhaufen, aber sie wird geächtet, zu Talk-Sendungen in öffentlichen Fernsehstationen nicht mehr eingeladen, in Printmedien mehrfachst denunziert, verliert die Stelle oder den Lehrstuhl.
Derjenige, der durch die Schuldzuweisungen den Stand in der Welt verliert wird mit einer erheblichen Schwächung oder vielleicht sogar mit Krankheit zu kämpfen haben. Wie stark solche Projektionen wirken können weiss man wahrscheinlich erst, wenn man es selber einmal erlebt hat. Oder wenn man Menschen zuhört, die solche Angriffe überlebt haben. Will ein Angegriffenener der Macht der Zerstörung nicht unterliegen, muss er sich neu gründen. Er ist herausgefordert sich selber zu übersteigen. Um diese Situation zu meistern braucht der Beschuldigte einen Inhalt, ein klares Ziel, das er anstrebt. Durch ein gesetztes neues, hohes Ideal, zum Beispiel wie man auf aufrichtige Art miteinander umgehen will, wird er zu einem Vorbild für andere und kreiert eine neue Beziehungskultur. So bitter die Erfahrung ist, er wird sich durch diesen Einbruch in der eigenen Persönlichkeit weiterentwickeln. Im besten Falle wird er etwas Neues in die Welt bringen, etwas Schöneres und Edleres kreieren als das, was er selber erfahren hat.
Ohne Schuldzuweisung zu mehr Selbstermächtigung
Wer das latente untergründige Beschuldigen des Gegenübers weglässt, wird eines bei sich bemerken: er erhält nebst der Verantwortung auch mehr Selbstermächtigung über sein Leben. Der Mensch hat ein Selbst mit dem er aktiv sein Leben gestalten kann. Er fühlt sich wieder mehr als derjenige, der in seinem Leben eine eigene Macht und Selbstbestimmung hat, die er positiv einsetzen kann.
Es braucht ein bestimmtes Mass an ehrlicher, mutiger Konfrontation mit sich selbst. Wer diesen Mut aufbringt wird bemerken, dass die Stimmung eine authentischere, ehrlichere und reinere wird, die weniger dunkle, ins depressive neigende Gefühlsschwaden verbreitet, sondern eine lichtere, freudigere Atmosphäre schafft, die Menschen wieder leichter in Verbindung führt.
Jeder kann jederzeit damit aufhören, Schuldzuweisungen zu tätigen und somit zu einer friedvolleren Stimmung beitragen.
Ein vertiefender Artikel zum Thema Schuldzuweisungen finden Sie unter der Seite des Geistforschers Heinz Grill:
https://heinz-grill.de/vishnu-devananda-probleme-religiose-regeln/
Zahlen Depressionen: Quelle: Bundesamt für Statistik BFS: https://www.bfs.admin.ch/asset/de/23772011